13.08.2024, 14:02
So kernig wie früher. Auf „I Knew You When“ erzählt US-Rockröhre Bob Seger von seinem musikalischen Bruder, dem verstorbenen Eagles-Frontmann Glenn Frey. Aber er singt auch von der Liebe und warnt seine Landsleute, sich auf den Präsidenten zu verlassen.
Bob Seger ist wieder jung auf dem Cover seines neuen Albums. Unter Pilzkopffransen wirft da ein Teenager der Sechzigerjahre einen skeptischen Blick in die Welt. Einen Nadelstreifenanzug trägt er, schiebt einen leichten Buckel, als fühle er sich irgendwie unwohl im allzu noblen Tuch. Ein Junge aus Detroit im Sonntagsstaat, der schon mit 16 Jahren in einer Band spielte und jubilierte, als sein erster Song nur ein einziges Mal im lokalen Radio gespielt wurde. Anderthalb Dekaden später sollte er zu den Großen gehören. „I knew You When“ heißt sein 18. Studioalbum, „Ich kannte dich, als dich noch niemand kannte.“
In den Siebzigerjahren war Seger auch in Deutschland ein Star. Mit der Silver Bullet Band lieferte er eine wohlklingende, melodieselige und mitreissende Mischung aus Country, Blues und Rock’n’Roll. Erdiger Sound, kernige Stimme - Stoff für das Herz jeder Party. Songs wie „Night Moves“, „Old Time Rock’n’Roll“ und die Ballade „We’ve Got Tonite“ machten Robert Clark Seger einem weltweiten Publikum bekannt. 1980 kam mit „Against the Wind“ ein Millionenselleralbum. Mitte der Achtzigerjahre aber waren dann andere Reibeisenstimmen wie sein Landsmann Bruce Springsteen und der Kanadier Bryan Adams aber schon an ihm vorbeigezogen.
Zuletzt kamen nur noch sporadisch Alben, in Deutschland blieben sie nahezu unbemerkt. „I knew You When“ ist sein Bestes seit langem, beweist, dass der Meister kein bisschen an Stimm- und Gitarrenkraft verloren hat. Mit der Blueswalze „Gracile“ beginnt eine Zehn-Song-Sammlung (auf der Deluxe-Edition finden sich 13 Stücke), bei derSeger allenfalls ein bisschen tiefer singt als früher, und etwas öfter gospelige Backgroundchöre auffährt. Der Auftaktsong ist eine Art amerikanisches „Sexy“ – nicht ganz so anrüchig und dampfend, dafür mit deutlich mehr Humor. Das ewig Weibliche – auch Bob zieht’s hinan.
Damals, als alle unsterblich waren
Das Album verdankt sich einer Freundschaft und der Trauer über ihren Verlust. Seger kannte Glenn Frey, den im Vorjahr verstorbenen Mitbegründer und Frontmann der Eagles, seit 1966. Sie waren Freunde, Brüder, Frey kam wie Seger aus der Motorstadt Detroit, Seger nahm ihn unter seine Fittiche, schrieb und produzierte 1967 die erste Single von Freys Band The Mushrooms. „Hätte ich ne Dollarnote gehabt / Ich hätte sie dir damals gegeben / nur um eines Tages der ganzen Welt erzählen zu können / ich kannte dich schon damals“ singt Seger im Titelsong.
Und erinnert sich an die Zeiten, in denen man sich und seine Helden für unsterblich hielt. Ein fluffiger Song im „Still The Same“-Midtempo mit pompösen „Uuuh“-Chören und klimperndem Klavier. Völlig überraschend dann: „The Sea Inside“ – ein Song, den er ursprünglich für sein Album „Ride Out“ (2014) geplant hatte und der daherstampft wie ein vergessenes Monster von Led Zeppelin. Der „Runaway Train“ klingt dann, als würden Segers Silver Bullets mit ZZ Top zusammen jammen.
„Du kannst dich nicht auf den Präsidenten verlassen“
Alte unveröffentlichte Songs, neue Stücke und zwei Coverversionen enthält das Album – Lou Reeds „Busload of Faith“ von dessen 1989er Album „New York“ und „Democracy“ von Leonard Cohens 91er Werk „The Future“. Reeds Zeile „Du kannst dich nicht auf die Kirche verlassen, egal welche“ ändert Seger in „Du kannst dich nicht auf den Präsidenten verlassen“. Eine Breitseite gegen Trump, gegen den sich gefühlt die gesamte Pop-und-Rock-Bruderschaft in Stellung gebracht hat. Cohens Song ist dann der Trump-Versenker, die Lyrik des von Seger verehrten Kanadiers, kann so bleiben, wie sie ist. Der Refrain „Demokratie is coming to the USA“ sagt alles. Das Land braucht davon mehr denn je.
Seger hat Wirbelsäule. Spielte seine Gitarre daheim im Oakland County zuletzt im Sitzen, wechselte dann zum Piano und konnte nach drei Songs vor Schmerzen nicht weitermachen. Sein „Runaway Train“-Tour mit der Silver Bullet Band musste Bob Seger im September abbrechen, um sich operieren zu lassen. „Der Rücken machte vorher nie Probleme“, verriet er dem amerikanischen Rolling Stone, „es ist wohl das Alter.“ Inzwischen ist der 72-Jährige auf dem Weg der Besserung. Mitte März, wenn er wieder jung ist, will er zurück auf die Bühne. Bitte Europa nicht wieder vergessen, Bob!
Album: Bob Seger: „I Knew You When“
Quelle: Von Matthias Halbig / RND
Bob Seger ist wieder jung auf dem Cover seines neuen Albums. Unter Pilzkopffransen wirft da ein Teenager der Sechzigerjahre einen skeptischen Blick in die Welt. Einen Nadelstreifenanzug trägt er, schiebt einen leichten Buckel, als fühle er sich irgendwie unwohl im allzu noblen Tuch. Ein Junge aus Detroit im Sonntagsstaat, der schon mit 16 Jahren in einer Band spielte und jubilierte, als sein erster Song nur ein einziges Mal im lokalen Radio gespielt wurde. Anderthalb Dekaden später sollte er zu den Großen gehören. „I knew You When“ heißt sein 18. Studioalbum, „Ich kannte dich, als dich noch niemand kannte.“
In den Siebzigerjahren war Seger auch in Deutschland ein Star. Mit der Silver Bullet Band lieferte er eine wohlklingende, melodieselige und mitreissende Mischung aus Country, Blues und Rock’n’Roll. Erdiger Sound, kernige Stimme - Stoff für das Herz jeder Party. Songs wie „Night Moves“, „Old Time Rock’n’Roll“ und die Ballade „We’ve Got Tonite“ machten Robert Clark Seger einem weltweiten Publikum bekannt. 1980 kam mit „Against the Wind“ ein Millionenselleralbum. Mitte der Achtzigerjahre aber waren dann andere Reibeisenstimmen wie sein Landsmann Bruce Springsteen und der Kanadier Bryan Adams aber schon an ihm vorbeigezogen.
Zuletzt kamen nur noch sporadisch Alben, in Deutschland blieben sie nahezu unbemerkt. „I knew You When“ ist sein Bestes seit langem, beweist, dass der Meister kein bisschen an Stimm- und Gitarrenkraft verloren hat. Mit der Blueswalze „Gracile“ beginnt eine Zehn-Song-Sammlung (auf der Deluxe-Edition finden sich 13 Stücke), bei derSeger allenfalls ein bisschen tiefer singt als früher, und etwas öfter gospelige Backgroundchöre auffährt. Der Auftaktsong ist eine Art amerikanisches „Sexy“ – nicht ganz so anrüchig und dampfend, dafür mit deutlich mehr Humor. Das ewig Weibliche – auch Bob zieht’s hinan.
Damals, als alle unsterblich waren
Das Album verdankt sich einer Freundschaft und der Trauer über ihren Verlust. Seger kannte Glenn Frey, den im Vorjahr verstorbenen Mitbegründer und Frontmann der Eagles, seit 1966. Sie waren Freunde, Brüder, Frey kam wie Seger aus der Motorstadt Detroit, Seger nahm ihn unter seine Fittiche, schrieb und produzierte 1967 die erste Single von Freys Band The Mushrooms. „Hätte ich ne Dollarnote gehabt / Ich hätte sie dir damals gegeben / nur um eines Tages der ganzen Welt erzählen zu können / ich kannte dich schon damals“ singt Seger im Titelsong.
Und erinnert sich an die Zeiten, in denen man sich und seine Helden für unsterblich hielt. Ein fluffiger Song im „Still The Same“-Midtempo mit pompösen „Uuuh“-Chören und klimperndem Klavier. Völlig überraschend dann: „The Sea Inside“ – ein Song, den er ursprünglich für sein Album „Ride Out“ (2014) geplant hatte und der daherstampft wie ein vergessenes Monster von Led Zeppelin. Der „Runaway Train“ klingt dann, als würden Segers Silver Bullets mit ZZ Top zusammen jammen.
„Du kannst dich nicht auf den Präsidenten verlassen“
Alte unveröffentlichte Songs, neue Stücke und zwei Coverversionen enthält das Album – Lou Reeds „Busload of Faith“ von dessen 1989er Album „New York“ und „Democracy“ von Leonard Cohens 91er Werk „The Future“. Reeds Zeile „Du kannst dich nicht auf die Kirche verlassen, egal welche“ ändert Seger in „Du kannst dich nicht auf den Präsidenten verlassen“. Eine Breitseite gegen Trump, gegen den sich gefühlt die gesamte Pop-und-Rock-Bruderschaft in Stellung gebracht hat. Cohens Song ist dann der Trump-Versenker, die Lyrik des von Seger verehrten Kanadiers, kann so bleiben, wie sie ist. Der Refrain „Demokratie is coming to the USA“ sagt alles. Das Land braucht davon mehr denn je.
Seger hat Wirbelsäule. Spielte seine Gitarre daheim im Oakland County zuletzt im Sitzen, wechselte dann zum Piano und konnte nach drei Songs vor Schmerzen nicht weitermachen. Sein „Runaway Train“-Tour mit der Silver Bullet Band musste Bob Seger im September abbrechen, um sich operieren zu lassen. „Der Rücken machte vorher nie Probleme“, verriet er dem amerikanischen Rolling Stone, „es ist wohl das Alter.“ Inzwischen ist der 72-Jährige auf dem Weg der Besserung. Mitte März, wenn er wieder jung ist, will er zurück auf die Bühne. Bitte Europa nicht wieder vergessen, Bob!
Album: Bob Seger: „I Knew You When“
Quelle: Von Matthias Halbig / RND